Ich erinnere mich an ihre Hände
Ein Text von Kevin Zude
Ich erinnere mich an ihre Hände.
Wie sie die Wäsche aufhängten, mit kräftigen, festen Bewegungen. Wie sie beim Vorlesen über die Buchseiten strichen – langsam, als würden sie jedes Wort segnen. Wie sie in der Kirche die Kerze entzündeten, immer mit demselben leichten Zittern, das nur ich bemerkte.
Manchmal erinnern wir uns nicht an Gesichter – sondern an Gesten
Hände sagen viel über einen Menschen. Wie sie halten. Wie sie loslassen. Wie sie arbeiten. Wie sie streicheln. Wenn wir Abschied nehmen, sind es oft genau diese kleinen Details, die uns fehlen – weil sie so alltäglich waren, dass wir sie nie bewusst wahrgenommen haben.
In Gesprächen mit Angehörigen frage ich oft: „Was hat sie mit ihren Händen gemacht?“ Die Antwort ist nie nur eine Tätigkeit. Sie ist eine Geschichte. Eine Szene. Eine Emotion.
Erinnerung ist greifbar
Du musst nicht das große Ganze erzählen. Fang mit den Händen an. Oder mit der Stimme. Mit dem Lachen. Mit der Art, wie jemand den Schlüssel in die Tasche gesteckt hat. Genau dort beginnt der Faden, an dem du ziehen kannst.
Und manchmal genügt es, genau das zu sagen: „Ich erinnere mich an ihre Hände.“ Der Rest kommt von selbst.
Zwischen den Zeilen beginnt das Erinnern.
Und oft beginnt es mit dem, was wir berührt haben – und was uns berührt hat.